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CRONNECT MAGAZIN · 03/2015

Eine der wesentlichen Neuigkeiten

bezüglich der Erbsachen in der Re-

publik Kroatien ist die Anwendung der

Verordnung (EU) Nr. 650/2012 des Eu-

ropäischen Parlaments und des Rates

vom 4. Juli 2012 über die Erbsachen,

wodurch das Recht der RK an das EU-

Recht angepasst wird.

Bezüglich der Anwendung der Verord-

nung (EU) Nr. 650/2012 über die Erbsa-

chen bestehen auchweitere begleitende

Vorschriften, auf welche wir jedoch in

diesem Text nicht eingehen werden.

Es ist wichtig zu betonen, dass die Ver-

ordnung (EU) Nr. 650/2012

für Erbfälle

nach dem 17.08.2015 gilt.

Die Verordnung regelt unter anderem

Folgendes:

- dass die allgemeine Zuständigkeit

für die Durchführung des Nachlassver-

fahrens in der Republik Kroatien (und

für den Angehörigen eines anderen

EU-Staates)

nach dem gewöhnlichen

Aufenthalt des Erblassers

bestimmt

wird (es ist nicht unbedingt notwendig,

dass der Aufenthalt angemeldet wird,

entscheidend ist, dass der Erblasser in

diesem Ort tatsächlich gelebt hat, dass

er eine offensichtlich enge Verbindung

zu diesem Ort hatte) und dann ist ein

Gericht (z.B. das Gericht in RK) für das

ganze Vermögen zuständig, auch für

jenes, das der Erblasser in einem Dritt-

staat hatte (es sei denn, die Partei stellt

den Antrag, über einen oder mehrere

dieser Vermögenswerte nicht zu befin-

den, wenn zu erwarten ist, dass sie in

dem betreffenden Drittstatt nicht aner-

kannt sein wird)

- dass die Partei, die einen Testament

errichten will, bereits in der letztwil-

ligen Verfügung das anzuwendende

Recht wählen kann

- dass sich die Parteien über den

Gerichtsstand und das anwendbare

Recht einigen. Anwendbares Recht ist

das Recht des Staates, in dem der Er-

blasser seinen letzten gewöhnlichen

Aufenthalt hatte (angewendet wird

auch dann, wenn dieses Recht kein

Recht eines EU-Staates ist), und die

Person kann zu Lebzeiten (im Testa-

ment) auch das Recht ihrer Staatsange-

hörigkeit wählen – wenn sie mehrere

Staatsangehörigkeiten besitzt, kann

sie eine wählen.

Da diese Verordnung ab dem 17.08.2015

ihre Anwendung findet und noch keine

Gerichts- und andere Praxis hat, ist

ab Herbst 2015 auf dem Gebiet der Re-

publik Kroatien mit vielen Fragen, un-

terschiedlichen Vorgehensweisen der

Gerichte und öffentlichen Notare, Un-

sicherheiten bei den Entscheidungen

und mit Situationen, die das Leben mit

sich bringt und die nicht vorhersehbar

waren, zu rechnen.

Um besser zu verstehen, welche Situa-

tionen zu erwarten sind, angesichts der

vielen Ehen zwischen den deutschen

und kroatischen Staatsangehörigen,

den

kroatischen

Staatsangehöri-

gen, die in Deutschland leben und

umgekehrt, folgt ein Beispiel, das (zu-

mindest in einer ähnlichen Form) in

Praxis vorkommen wird:

Ivo Ivić, geboren 1930 in Rijeka. Im

Jahr 1961 ist er nach Frankfurt gezo-

gen, wo er sein ganzes Berufsleben als

Zahnarzt gearbeitet hat, er hatte eine

eigene Zahnarztpraxis. Im Jahr 1963

hat er bei seinem Aufenthalt auf der

Insel Rab Ana Anić kennengelernt, die

auf dieser Insel gelebt hat. Sie haben

sich verliebt, sind imKontakt geblieben

und haben sich entschlossen, das Leb-

en zusammen zu verbringen.

Ivo und Ana haben 1964 in Frankfurt

geheiratet.

ImJahr 1970 haben sie einWochenend-

haus in der Stadt Rab gebaut, wo sie

mit ihren Kindern, Mario und Stella,

Urlaub und Wochenenden verbracht

haben. Seit 2002, als sie in den Ruhe-

stand gingen, haben sie die meiste Zeit

des Jahres auf Rab verbracht. In der

Wohnung in Frankfurt, auf der ab 1993

das ausschließliche Eigentum von Ivo

Ivić eingetragen wurde, hat meistens

ihre Enkelin gelebt, während sie sich

da durchschnittlich weniger als drei

Monate jährlich aufhielten, vorwieg-

end in den Wintermonaten.

Im Jahr 2002 haben Ivo und Ana eine

größere Immobilie in der Nähe der

Stadt Rab gekauft und mit Hilfe der

Verwandten aus Rab Olivenbäume an-

gepflanzt und Olivenöl produziert. Ivo

war auch aktiv im Jägerverein auf Rab.

Ivo und Ana sind seit 1987 deutsche

Staatsangehörige. Um die deutsche

Staatsangehörigkeit zu erwerben, ha-

ben sie auf ihre damalige jugoslaw-

ische Staatsangehörigkeit verzichtet.

Am 19. August 2015 stirb Ivo an dem

Schlaganfall in seinem Haus auf Rab.

Neben der Wohnung in Frankfurt (im

Wert von etwa EUR 290.000,00) und

dem Haus auf Rab (im Wert von etwa

EUR 200.000,00) besaß er auch EUR

140.000,00 Ersparnis auf dem Bank-

konto in Frankfurt, EUR 30.000,00 Er-

sparnis in einer Bank in Kroatien und

einen in Kroatien zugelassenen PKW

im Wert von EUR 20.000,00.

Ivo hat kein Testament errichtet.

Es stellt sich die Frage, in welchem

Staat

das

Nachlassverfahren

durchzuführen ist und welches Recht

anwendbar ist?

Ich bin der Meinung, dass in diesem

Fall das Nachlassverfahren in der Re-

publik Kroatien durchzuführen ist und

dass das kroatische Recht anwendbar

ist, alles aufgrund des Artikels 21 Abs.

2 der Verordnung (EU) Nr. 650/2012, der

besagt:

Allgemeine Kollisionsnorm

1. Sofern in dieser Verordnung nichts

anderes vorgesehen ist, unterliegt die

gesamte Rechtsnachfolge von Todes

wegen dem Recht des Staates, in dem

der Erblasser im Zeitpunkt seines

Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt

hatte

2. Ergibt sich ausnahmsweise aus der

Gesamtheit der Umstände, dass der

Erblasser im Zeitpunkt seines Todes

eine offensichtlich engere Verbindung

zu einem anderen als dem Staat hatte,

dessen Recht nach Absatz 1 anzuwen-

den wäre, so ist auf die Rechtsnach-

folge von Todes wegen das Recht

dieses anderen Staates anzuwenden“.