CRONNECT MAGAZIN · 05/2016
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nationales Bilanzrecht begrün-
det und würden noch jahrelang
so bleiben. Deshalb seien An-
ti-Missbrauchsregeln
nötig.
Andrus Ansip, der für den dig-
italen Binnenmarkt zuständige
Kommissionsvizepräsident,
konstruierte zur Verdeutli-
chung ein Beispiel aus dem
Verkehrsbereich. Könnte man
in jeder Stadt der EU U- oder
S-Bahn mit einem Ticket benu-
tzen,
dass man in einem beliebigen
Mitgliedstaat gekauft hat, so
wäre das für Verbraucher wohl
„sehr populär“, sagte er. Aber
Nahverkehrsgesellschaften in
Ländern mit einem hohen Pre-
isniveau könnten ihre Netze
und Angebote nicht finanzie-
ren, wenn sie gezwungen sei-
en, Fahrgäste zu Rabattpreisen
zu befördern, sagte Ansip.
Unternehmen dürfen Gründe
erfragen
Was das Roaming betrifft, will
die Kommission den Teleko-
munternehmer erlauben, von
ihren Kunden eine Begründung
für auffällige Nutzung zu ver-
langen. Hinweise auf den Miss-
brauch von kostenlosen Roam-
ing könnten etwa sein:
• Geringer inländischer
Datenverkehr im Vergleich
zur Roaming-Nutzung.
• Lange Inaktivität einer SIM-
Karte, die hauptsächlich oder
ausschließlich beim Roaming
eingesetzt wird.
• Vertragsabschluss für mehre-
re SIM-Karten, die von einem
Kunden nacheinander beim
Roaming benutzt werden.
Falls der Kunde keine „zufrie-
denstellende Begründung“
gegeben kann, dürfte der Mo-
bilfunkanbieter laut Oetting-
er Preisaufschläge verlan-
gen-vorgeschlagen
werden
0,04 Euro pro Minute für An-
rufe, 0,01 Euro pro SMS und
0,0085 Euro pro Megabyte
D
amit eine faire
Nutzung
des
Roamings si-
c h e r g e s t e l l t
werden kann,
schlägt
die
Kommission vor, das Nutzu-
ngsverhalten eines Kunden da-
nach zu beurteilen, in welchem
Land er seinen Wohnsitz hat,
oder wo er sich sehr häufig
aufhält. Etwa weil er dorthin
pendelt, dort Erasmus-Student
ist oder Arbeitnehmer entstand
wurde. Ziel ist es, dass eine
SIM-Karte aus diesen „Heimat-
ländern“ im EU-Ausland so wie
zu Hause benutzen kann. Das
kostenlose Roaming soll Rei-
senden zu Gute kommen, die
dienstlich, auf Urlaub oder aus
anderen privaten Gründen im
EU-Ausland unterwegs sind
und zwar „egal wie lange“, wie
Günter Oettinger, EU-Kommis-
sar für digitale Wirtschaft und
Gesellschaft betonte.
Große Preiseunterschiede in
der EU
Nicht gedacht ist das kosten-
lose Roaming dagegen für Mo-
bilfunkkunden, die sich gezielt
eine günstige SIM-Karte aus
einem anderen Mitgliedstaat
besorgen, um ständig damit zu
Hause zu telefonieren. „Wir ha-
ben sehr unterschiedliche Pre-
ise in Europa“, die zudem noch
reguliert seien, sagte Oettinger.
Beispielweise sei eine SIM-
Karte in Irland sechseinhalb
Mal und in Frankreich fünfmal
teurer als in Lettland. Müsste
das lettische Unternehmen für
die dauerhafte Nutzung seiner
SIM-Karte in Irland an den dor-
tigen Telekomanbieter höhere
Preise zahlen, als er auf dem
heimischen Endkundenmarkt
verdienen kann, „wäre es in-
nerhalb weniger Tage pleite“,
sagte Oettinger.
Die Preisunterschiede seien
durch viele Fakten wie Ener-
gie- und Arbeitskosten oder
übertragenem Datenvolumen.
Der Anbieter soll laut Kommis-
sionsvorschlag ein Beschwer-
deverfahren ermöglichen. Wird
keine Lösung gefunden, soll
der Kunde die nationale Regu-
lierungsbehörde einschalten.
Die
deutschen
Mobilfunk-
anbieter Telekom, Vodafone
und Telefonica Deutschland
erklärten,
die
Vorschlage
genau prüfen zu wollen. „Gr-
undsätzlich ist aus unserer
Sicht entscheidend, dass sich
die Vorgabe von den Mobil-
funkanbietern technisch um-
setzen lassen und gleichzeitig
eine einfache und attraktive
Lösung für die Kunden darstel-
len“, sagte ein Sprecher von
Telefonica-Deutschland. (frh/
ste)
12 Tage im Jahr auf Reisen
Seit einem Jahrzehnt arbeit-
ete die EU-Kommission da-
ran, die Roaming-Aufschläge
für die Mobilfunknutzung im
EU-Ausland zu begrenzen. Seit
2007 sind sie bereits um über
90 Prozent gefallen, im Juni
2017 sollen sie auf Null sink-
en. EU-Bürger können davon
während der durchschnittlich
12 Tage im Jahr profitieren, die
sie im Ausland verbringen. Das
stelle für die Telekomanbieter
kein Kostenproblem dar. Nur 0,1
Prozent der Menschen riesen
laut Kommission länger als 90
Tage pro Jahr in anderen Mit-
gliedstaaten.